120 min
© 1976
Roman Polanski, Isabelle Adjani, Melvyn Douglas
Thriller
Trelkovsky, ein schüchterner kleiner Angestellter polnischer Abstammung, bewirbt sich um eine heruntergekommene Pariser Altbauwohnung. Die Vormieterin, eine junge Frau namens Simone Choule, hat sich kurz zuvor aus dem Fenster des im vierten Stock gelegenen Appartements gestürzt. Nach Simone Choules Tod bezieht Trelkovsky ihre Wohnung. Seine neuen Mit-Mieter sind allerdings nicht allzu glücklich über den Neuankömmling. Schon bei seiner Einweihungsparty beklagen sie sich über den Lärm. Um den beständigen Anfeindungen der Nachbarn zu entfliehen, verkriecht sich Trelkovsky zunehmend in die Abgeschiedenheit seiner neuen Wohnung, wo er von Simones Hinterlassenschaft umgeben ist. Doch dort geht es Trelkovsky auch nicht gut: Ein Fieberanfall und das Klima der Isolation sowie sein Mangel an Selbstvertrauen stürzen den neuen Mieter in eine schwere Persönlichkeitskrise. Er besorgt sich eine Perücke und Stöckelschuhe und posiert in Simones Kleidern vor dem Spiegel. Als ihm plötzlich bewusst wird, was er tut, wittert er ein heimtückisches Komplott seiner Mitmieter, das ihn zwingen soll, die Identität Simone Choules anzunehmen.
Als Trelkovsky eines Morgens mit ausgebrochenem Schneidezahn erwacht, flieht er in wilder Panik zu seiner Freundin Stella. Die versucht ihn zu beruhigen, bis er auch in ihr eine Komplizin seiner Verfolger zu erkennen glaubt. Von Halluzinationen und Wahnvorstellungen gepeitscht, erreicht Trelkovsky schließlich wieder seine Wohnung. Doch dort ist nichts mehr, wie es war: Der Innenhof des Mietshauses hat sich in einen Opernsaal verwandelt, im Orchestergraben werden die Instrumente gestimmt und in den Logen sitzen Trelkovskys ungeduldige Nachbarn. Trommelwirbel. Jetzt erwartet man von Trelkovsky den großen Sprung...

Roland Topors 1964 veröffentlichter Roman „Der Mieter” diente Polanski als Vorlage für einen filmischen Horrortrip urbaner Paranoia und mentaler Desintegration. Der verstörende Thriller beschreibt einen psychischen Verfallsprozess als halluzinatorische Wirklichkeitsentfremdung und entwickelt den irrationalen Schrecken aus banalen Alltagsdetails. „Der Mieter”, Polanskis erster Film nach dem Hollywood-Triumph „Chinatown”, gehört zu den essentiellsten Werken des polnischen Regisseurs. Polanski packt die komplexe Geschichte, die er in 120 Minuten erzählt, bereits als Kurzfassung in die erste Einstellung seines Films. In einer wunderbaren Hommage an die Eröffnungssequenz aus Hitchcocks „Das Fenster zum Hof” bewegt sich Sven Nykvists Kamera über Fenster und Wände eines Pariser Hinterhofs. Hinter einem der Fenster erkennt man Trelkovsky, anschließend im selben Fenster Simone Choule. Im Fenster der Toilette sieht der Zuschauer zunächst Simone, dann Trelkovsky. Dieses Spiel mit wechselnden Identitäten führt direkt zu einem zentralen Motiv in Polanskis Oeuvre: dem Fremdsein, der verstörenden Verunsicherung bezüglich der eigenen Identität und der Identität anderer. Dieses Fremdsein scheint untrennbar mit Polanskis eigener Biografie verbunden: als Pole in Frankreich, als Europäer in Hollywood, als Künstler im Filmgeschäft. Nicht zufällig übernimmt Polanski selbst die Rolle des polnischen Mieters Trelkovsky, dem schon aufgrund seiner polnischen Abstammung die Aufnahme in die französische Gesellschaft versagt bleibt. Er empfindet die banale Gemeinheit der Welt als eine auf die Vernichtung seiner Person abzielende Verschwörung. Polanski wird mit „Der Mieter” 1976 in Cannes als bester Regisseur nominiert.

30072008E1082

Sprachen: