90 min
© 1958
Jeanne Moreau, Alain Cuny, Jean-Marc Bory, Judith Magre, José Luis de Villalonga, Gaston Modot , Georgette Lobbe, Claude Mansard
Drama
DVD 472

Die 30-jährige Jeanne führt mit ihrem Ehemann Henri, der sich für nichts anderes als seine Geschäfte interessiert, ein bourgeoises Dasein in der Provinz. Ihre einzige Abwechslung sind die Reisen nach Paris zu ihrer Freundin Maggy, deren mondänes Leben sie fasziniert. Frustriert von ihrer Einsamkeit lässt sie sich auf eine Affäre mit dem Frauenheld Raoul ein. Doch diese Liaison macht Jeanne nicht wirklich glücklicher. Um herauszufinden, mit wem seine Frau sich in Paris ständig abgibt, lädt Henri, eifersüchtig geworden, Raoul und Maggy nach Dijon ein. Am Tag ihres Besuchs hat Jeanne eine Reifenpanne und lernt zufällig den jungen Studenten Bernard kennen, der sie mit seinem Auto nach Hause bringt. Henri besteht darauf, Bernard zusammen mit den anderen Gästen in seinem Haus zu beherbergen. Nach einem wenig angenehmen Abend, während dem Henri den verliebten Ehemann spielt und damit Raoul in Missstimmung stürzt, macht Jeanne einen nächtlichen Spaziergang im Garten. Dort trifft sie auf Bernard, der ebenfalls nicht schlafen kann. Der Ausflug im Mondschein endet in einer leidenschaftlichen Liebesnacht, die sich ganz und gar von allem unterscheidet, was Jeanne bisher an Beziehung erlebt hat. Gefesselt von dieser neuen Erfahrung ist sie bereit, mit Bernard zu fliehen und ihr altes Leben und ihre Familie hinter sich zu lassen.

Als Louis Malles 1958 mit seinen als anstößig geltenden Themen des Ehebruchs und der freizügigen Liebe in den Kinos gezeigt wurde, war die Empörung in konservativen Kreisen groß. Obwohl der Film heute längst nicht mehr die moralischen Grenzen des Publikums verletzt, ist das, was die Hüter von Anstand und Moral einst entrüstete, immer noch präsent: Die faszinierende Sinnlichkeit Jeanne Moreaus. Bereits in Louis Malles preisgekröntem Debütfilm "Fahrstuhl zum Schafott" (1957) spielte sie mit einer unvergleichlich herben Erotik die Hauptrolle und avancierte über Nacht zur Ikone des französischen Kinos. Jeanne Moreau war nicht die Einzige, die Malle zur Realisierung seines Skandalfilms "Die Liebenden" aus der Crew seines Erstlingswerks wieder engagierte. Auch mit dem Kameramann Henri Decaë ging er erneut eine kreative Zusammenarbeit ein. Diesem gelingt, in eindrücklichen Schwarz-Weiß-Bildern die Atmosphäre einer trügerischen, bedrückenden Ruhe einzufangen, unter der die unerfüllten Sehnsüchte einer jungen Frau zu ersticken drohen. Die sexuelle Freizügigkeit wird dabei zum Mittel der Provokation und des Aufschreis über die einengenden Konventionen hinweg. Im Laufe seiner Karriere entwickelte Louis Malle eine Vielzahl von Stoffen, die Tabuthemen aufgriffen, einen Blick auf die Abgründe menschlicher Leidenschaft warfen oder vom Ausbruch aus vorgegebenen Ordnungen berichteten. Immer wieder kam er dabei in Konflikt mit der Zensur, die neben dem Film "Die Liebenden" auch an den Filmen "Herzflimmern" (1971), der einen Inzest thematisiert, oder "Pretty Baby" (1978), in dem es um Kinderprostitution geht, Anstoß nahm. Louis Malle, der 1995 im Alter von 63 Jahren starb, gilt als einer der bedeutendsten Filmemacher Frankreichs und zählt zu den wichtigsten Vertretern der 'Nouvelle Vague'.