176 min
© 2012
Jan Josef Liefers, Sebastian Urzendowsky, Claudia Michelsen, Götz Schubert, Nadja Uhl, Josephin Busch, Hans-Uwe Bauer, Steffi Kühnert, Stephanie Stumph
Drama
DVD 1669
Der Turm (Teil 1 & 2)

Die Familie Hoffmann hat sich in ihrer bildungsbürgerlichen Nische eingerichtet: kulturvolle Musikabende, kluge Debatten über Literatur und Naturwissenschaft - in ihrem Kokon fühlen sich die Familienmitglieder sicher. Aber durch kleine Risse dringen auch in ihr Leben die Probleme ein, die das sozialistische Regime und die SED-Diktatur mit sich bringen.

Christian Hoffmann (Sebastian Urzendowsky, „Berlin '36”) ist 1982 ein hoffnungsvoller Schüler: Er lernt eifrig, denn er will in Leipzig Medizin studieren. Doch einen der begehrten Studienplätze bekommt er nicht ohne Gegenleistung, er muss sich für drei Jahre als Soldat verpflichten. Bei der NVA erlebt er Drill von den Vorgesetzten und Schikane unter den Kameraden. Als bei einem Manöver ein Kamerad stirbt, bricht es aus Christian heraus: „So etwas kann nur in so einem Scheiß-System passieren!” Wegen Systemkritik wird Christian Hoffmann vor dem Militärgericht angeklagt – und zu 20 Monaten Haft im Militärgefängnis Schwedt verurteilt. Innerhalb weniger Jahre ist das Leben des jungen Mannes völlig aus den Fugen geraten, wegen einer vermeintlichen Banalität.
Sein Vater Richard Hoffmann (Jan Josef Liefers) bekommt als Chirurg zu spüren, wie die Mangelwirtschaft auch die medizinische Versorgung erschwert. Im Krankenhaus fehlt Verbandsmaterial, technische Geräte sind kaputt und können nicht repariert werden. Mit der Klinikleitung und den übergeordneten Stellen verhandeln die Angestellten endlos um Material. Auch die Parteiklüngel gehen nicht an dem Arzt vorüber: Hoffmann möchte Klinikchef werden, aber sein Mitbewerber Kohler hat die besseren Verbindungen zur SED. Zu allem Übel kommt auch noch die Stasi ins Spiel: Hoffmann hatte als Student einmal für das MfS gespitzelt – außerdem macht eine heimliche Affäre ihn erpressbar.
Auch bei Meno Rohde (Götz Schubert), dem Schwager von Richard Hoffmann, widersprechen sich persönliche Ansichten und berufliches Handeln: Einerseits arbeitet er bei einem großen Verlag als Lektor und muss die Autoren entsprechend der Staatsdoktrin zensieren. Andererseits ist er ein Schöngeist, der die Schriftsteller ungern beschneidet. Aber er hält still und versteckt seinen Opportunismus hinter seinem Hobby, dem Interesse für Biologie und andere Naturwissenschaften.
Seine Schwester Anne (Claudia Michelsen), die Frau von Richard Hoffmann, ist zunächst der gute Geist der Familie: Sie ergattert, was in den Läden der DDR eigentlich nicht zu kriegen ist, sorgt sich um ihren Sohn und will ihren Mann trotz der Stasi-Verwicklungen unterstützen. Doch als sie der Affäre von Richard Hoffmann auf die Schliche kommt, verändert sich ihre Rolle. Während die Männer um sie herum stillhalten, wird ihr Protest gegen das SED-Regime lauter. Sie geht zu den Friedensgebeten in die Kirche, schließt sich der Oppositionsbewegung an und nimmt an Demonstrationen auf der Straße teil.
Zwar haben die spezielle Lebenswelt der „Türmer” nicht alle DDR-Bürger geteilt. Dennoch werden an ihrem Beispiel die Eingriffe des DDR-Regimes deutlich – genauso wie die Bedingungen, die zum Fall des Staates geführt haben.

1festival
09.11.2013